Interview mit www.schweres-metall.de

7.Kapitel: 2002 – Die Lebensbeichte

SM: Wie entstand die Idee zu der genialen Symbiose aus hartem Rock und mittelalterlichen Klängen?
Kay: Eher zufällig. Beide „Fraktionen“ der heutigen Band In Extremo haben schon lange Zeit vorher in den verschiedensten Bands miteinander gespielt, so dass es früher oder später ohnehin irgendwie dazu kommen musste! Micha, unser Einhorn, war mehr oder weniger das Bindeglied zwischen beiden Teilen. Es gab also wirklich keinen Plan!
SM: Euer aktuelles Album „Sünder ohne Zügel“ wurde im September vergangenen Jahres vom Kollegen Reiner in den höchsten Tönen gelobt. Stehen schon Songs für das nächste Album, bzw. was können wir von diesem erwarten und für welchen Termin ist das Erscheinungsdatum anvisiert?
Kay: Mit dem Schreiben und Proben von Songs haben wir schon vor einigen Wochen begonnen, aber da landet natürlich wieder viel im Papierkorb. Wir wollen uns dieses Mal zeitlich nicht wieder so unter Druck setzen lassen, aber das nimmt sich die Band ja bei jeder Produktion vor… Wohin die Reise geht wissen wir selbst noch nicht genau, denn da wir fast alle Stücke zusammen schreiben und arrangieren, entstehen viele Dinge erst beim Erarbeiten der Songs im Proberaum oder Studio, sodass von der ursprünglichen Idee des „Autors“ nur noch Fragmente übrig bleiben. Wir haben keine Glimmer Twins wie Lennon/ Mc Cartney oder Jagger/ Richards in unseren Reihen, die auf ihre Urheberschaft pochen. Vielleicht ist es ja gerade das, was In Extremo ausmacht. Ansonsten planen wir, im Januar 2003 im Studio Ernst zu machen, so dass wir entweder vor oder nach der großen „Sommerdepression“ veröffentlichen können.
SM: Insbesondere die Songs „Vollmond“ und „Der Rattenfänger“ vom aktuellen Album haben echtes Hit-Potential aufzuweisen. Wie geht ihr an das Komponieren der Songs heran?
Kay: Das habe ich ja schon fast mit beantwortet. „Vollmond“ ist in diesem Falle aber keine Komposition von uns (wenn auch nicht viel vom ursprünglichen Original übrig geblieben ist), der Text ist eine Bearbeitung von uns nach Villon. Komischerweise ist „Der Rattenfänger“ genau die Nummer, die wir vom Album im Nachhinein als die Schlechteste empfinden, wir haben sie deshalb auch aus dem Live-Programm genommen! Was ein „Hit“ ist sieht jeder sicherlich anders – die Plattenfirma ja sowieso – hier muss jede Band für sich entscheiden, welchen Weg sie einschlagen will.
SM: Woher nehmt ihr die Inspiration für Eure Texte?
Kay: Vorrangig aus der Literatur natürlich. Neben eigenen Texten benutzen wir aber sehr viele Originaltexte und bearbeiten diese zu unserem Zweck.
SM: Mir ist aufgefallen, dass bei Euren langen Tourneen der Südwesten Deutschlands gar nicht berücksichtigt wird. Wo liegen die Gründe hierfür, da ich behaupten kann, dass Ihr auch hier etliche Fans habt?
Kay: Das ist sicherlich erst einmal Ansichtssache, irgendwie behauptet jeder, wir würden „sein“ Territorium vernachlässigen… Aber mal im Ernst, hierfür gibt es viele Gründe, der Hauptgrund ist aber natürlich immer der Veranstalter, oder um es besser zu sagen: Wo kein Veranstalter da kein Konzert!
SM: Wie versteht Ihr Euch mit den Jungs von Corvus Corax? Gerüchten zufolge soll es da schon zu Spannungen gekommen sein. Zudem beanspruchen ja auch diese den Titel „Könige der Spielleute“ für sich, was doch sehr großspurig klingt, oder?
Kay: Das ist uns relativ egal, zudem haben sie sich den Titel ja immerhin auch selbst verliehen. Spannungen gab es in der Vergangenheit einige, aber irgendwie hat sich das mittlerweile relativiert. Corvus/ Tanzwut waren halt immer der Meinung, sie hätten dieses Genre erfunden und dort hätte niemand anderes was zu suchen. Deswegen haben sie uns damals ja auch einen Song gewidmet.
SM: Eine Frage an Euren Sänger: Bist Du eigentlich ein Sprachtalent wegen der teilweise lateinischen, skandinavischen und anderen Sprachen die ihr verwendet bzw. bist Du auch für das Verfassen der Texte zuständig?
Kay: Ich werde das mal für Micha beantworten: Die meisten Sprachen die wir verwenden werden ja so nicht mehr gesprochen, auch Latein ist ja eine tote Sprache. Uns hat es einfach Spaß gemacht, andere Ausdrucksformen (außer dem allgegenwärtigen Englisch) zu finden. Einige Originalsprachen wie das Isländisch hören sich bestimmt nach Slang an, aber was macht das schon? Besonders das Publikum in Nordeuropa wusste es sehr zu schätzen, dass wir uns mit ihrem Liedgut beschäftigt haben. Und außerdem, wie mag eine englisch singende deutsche Band für die Amerikaner klingen?
SM: Von welchen Musikern und Bands seht Ihr Euch beeinflusst bzw. beeindruckt?
Kay: Die Einflüsse sind so groß wie die Anzahl der Musiker, wir haben nicht so viele Gemeinsamkeiten, was die CD-Sammlungen angeht.
SM: Habt Ihr damals bei der Produktion von „Weckt die Toten“ eigentlich mit solchen späteren Charterfolgen gerechnet oder kam das alles völlig überraschend?
Kay: Mit „Weckt die Toten“ waren wir zwar nicht in den Charts sondern erst mit den beiden Nachfolgern – aber mit dem Verkaufserfolgen haben wir natürlich so nicht gerechnet.
SM: Werden Euch die Fans auch zukünftig mit Akustik-Sets auf  den Mittelaltermärkten bewundern können – wo ja Eure Ursprünge liegen – oder wollt Ihr Euch mehr auf dem Rock/ Metal-Sektor konzentrieren?
Kay: Ich sehe unseren Ursprung ehrlich gesagt nicht so unbedingt nur auf den Mittelaltermärkten, das war ja auch nur die Hälfte der Band, die dort „aufgewachsen“ ist. Momentan haben wir weitaus mehr Spaß an der Rockgeschichte (das kann ich auch im Namen der Mittelalterkollegen sagen), wir wollen aber demnächst – wenn denn dazu Zeit bleibt – ein Akustikalbum veröffentlichen. Es gibt eine Menge Gründe dafür, dass wir das Akustikprogramm in der letzten Zeit vernachlässigt haben, zum einen können wir es ohne Technik kaum mehr (vor dem mittlerweile erheblich größeren Publikum) hörbar gut rüberbringen, zum anderen sind auch einige Veranstalter der Meinung, wir müssten immer noch „für ´n Appel und ´n Ei“ zu buchen sein, um ihnen mit unserem Namen die Märkte zu füllen. So belassen wir es dann eben bei einer Handvoll Konzerten in diesem Jahr. Was die Zukunft anbelangt ist hier das letzte Wort noch nicht gesprochen, aber wir werden das immer von unserer Intension abhängig machen!
SM: Wählt Ihr Eure Support-Band eigentlich noch selbst aus, bzw. nach welchen Kriterien wird hier vorgegangen?
Kay: Eine lange Geschichte, die man so schnell auch nicht beantworten kann. Vorausschicken möchte ich, dass In Extremo von Supportbands im Gegensatz zu anderen Bands noch nie Geld verlangt hat! Aber diese Bands müssen sich natürlich finanziell zumindest selbst tragen können. Darin liegt schon das aller erste Problem, ohne Unterstützung durch eine Plattenfirma oder eines Verlages gelingt das schon mal nicht vielen. Unser persönlicher Geschmack spielt natürlich auch eine Rolle, aber wenn es ausschließlich darum ginge, dann müssten wir mit 7 verschiedenen Supportbands unterwegs sein. Für die Zukunft sind wir aber schon bestrebt, eher eine ausländische Band mitzunehmen, die dort auch etwas bekannter ist als wir, um uns hier wie dort dann gegenseitig zu unterstützen.
SM: Letzte Worte an unsere Leser bzw. Eure Fans?
Kay: Habt immer ein offenes Ohr für „die andere Musik“…
(Pit Schneider/ Schweres Metall/ Mai 2001)

Ende April ging es dann endlich auch wieder mal auf Tour, dieses Mal zusammen mit Red Aim aus dem Saarland, einer neuen Band von „Metal Blade“, die uns deren Chef Micha Trenkert ans Herz gelegt hat. Wir haben ja eher eine Vorliebe für Supportbands, die mit unserer Musik so gar nichts am Hut haben – wenn auch das Publikum da oft anderer Meinung ist. Aber dieser „kleine Fehler“ wurde uns ja meistens verziehen…
Die Tour startete in Celle und führte uns über Konstanz, Kaufbeuren, Frankfurt am Main, Amsterdam, Eindhoven, Duisburg bis nach Wasseralfingen – einem kleinen Ort im Schwäbischen, in dem ein paar Veranstalter aus dem Umfeld der „Summer Breeze“-Festivals in einer alten Fabrikhalle ein 3tägiges Festival veranstalteten. Leider fiel ein geplantes Konzert in Mailand aus, auf das wir uns schon lange gefreut hatten. Doch wir hatten Glück im Unglück – kurz vor Konstanz verreckte unser Bus mit einem Getriebeschaden und wir hätten es höchstwahrscheinlich mit dieser Schrottkarre ohnehin nicht über die Alpen geschafft. Wir hatten zwar unseren Lieblingsbusfahrer und quasi Bandmitglied Carsten dabei, doch leider keinen Nightliner von „Prima Klima“. „Never change a winning team“ – es war leider nix zu machen!
Ein paar Tage später spielten wir in Amsterdam im kleineren Saal des Melkweg und trotz der übermächtigen Konkurrenz der Nu Metaller von P.O.D. hatten wir ein volles Haus. Na bitte, wer sagt´s denn?

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