Flex der Biegsame
9.Kapitel: Portraits
Wie bist du zur Musik gekommen?
Als ich klein war schickte meine Mutter mich zum Flötenchor, um dort Noten zu lernen. Ich war in Musiktheorie nicht gerade eine Leuchte. Das habe ich aber dann irgendwann mit der Begründung hingeschmissen, das sei alles Mädchenkram. Meine Interessen waren eher sportlicher Natur, so dass ich schon früh Geräte- und Kunstturnen und später dann Akrobatik machte. Mit meinem Freund Phillip Klump trainierte ich zusammen eine Kinder-Kunstturngruppe.
Kannst du dich noch an das erste Konzert erinnern, welches du besucht hast? Wie war das?
Irgendwann verirrten wir uns einmal auf einem Mittelaltermarkt in Berlin am Potsdamer Platz, der uns gefallen hat. Da wir keinen Eintritt zahlen wollten, gingen wir am nächsten Tag zum Veranstalter und fragten ihn, ob er nicht noch zwei Akrobaten für seine Show gebrauchen könnte. Nach zwei Tagen hatten wir eine kleine Kür zusammengestellt, die auch gut ankam. Und so fuhren wir später von Markt zu Markt und sprangen Purzelbäume. Auch die Faszination für historische Instrumente wurde mit der Zeit immer intensiver und ich wollte Dudelsack spielen, was ich auch dank weniger Freunde lernte. Da in der Szene mit Wissen immer sehr gegeizt wurde, blieb einem nur das autodidaktische Training. Doch selbst der Förster vertrieb mich mit den folgenden Worten aus dem Wald: „Es ist Brunftzeit! Bei dem Lärm paart sich doch kein Tier!“.
Wie hieß deine erste Band?
Meine erste eigene Kapelle hieß Örenwüzel, was einfach Ohrwurm hieß. Mit meinem Duopartner Nils Plogstädt zusammen spielten wir hauptsächlich in Pubs und auf historischen Plätzen. Auf deutsch – einfach auf der Straße, wo sich viele Menschen tummelten. Oft fuhren z.B. einfach nach Berlin zur Museumsinsel, wo alle 20 Minuten ein riesiger Bus mit Japanern ankam. Die Japaner wiederum waren von unserem Kulturprogramm so begeistert, dass sie uns nur so mit Geld überhäuften – Yen gab es auch ab und zu. Oder wir fuhren durchs Land und suchten nach historischen Stadtfesten, um dort „aufzuzeuchen“. Es machte schon Spaß die Menschen so zu begeistern, dass sie bei dir stehen blieben und einfach vergessen konnten, was sie im Eigentlichen vorhatten.
Wann und mit welcher eigenen Band standest du das erste Mal auf einer richtigen Bühne? Kannst du dich noch daran erinnern, wie das war?
Wann ich das erste Mal auf einer richtigen Bühne stand, kann ich gar nicht so genau sagen, da ich mit Straßenmusik angefangen habe. Da spielte man, wenn man Lust hatte und Geld brauchte! Irgendwann wurden wir dann einmal von David Bradfield, einem in der „Irish scene“ bekannten Uilleann pipe- und Whistles-Spieler, angesprochen und gefragt, ob wir nicht Lust hätten, bei seiner Celtic Pulse-Tour als Vorband zu spielen. Da wir bis dato nur in Pubs und Punkkneipen (Arkanoa, Jessi) gespielt hatten, war das genau das Richtige.
Das erste Konzert war dann im Thommy-Weißbäcker-Haus und ich war sehr aufgeregt. Schon Stunden vorher spielten wir unser Programm von 30 Minuten durch und hatten in unser mittelalterliches Programm auch extra ein paar bretonische und irische Lieder mit eingeflochten, damit unsere Musik auch zum Thema passte. Ich weiß gar nicht mehr ob mehr als 50 Leute da waren, aber es hat tierisch Spaß gemacht und wir haben bei der Zugabe sogar ein Stück zusammen gespielt. Damals war das für mich eine große Sache und die 150 DM für 30 Minuten waren auch nicht zu verachten.
Wie war dein musikalischer Weg bis hin zu In Extremo? In welchen Bands hast du vorher gespielt?
Es ist schon zu lange her, als dass ich mich noch an alle Details erinnern kann. Tatsache aber war, dass Micha mich morgens um 1.00 Uhr anrief und fragte, ob ich mich sofort mit ihm treffen könnte. Er meinte es würde mein Leben verändern! Es war eine echt unchristliche Zeit und zum Treffpunkt musste ich einmal komplett durch die ganze Stadt fahren. Wir kannten uns schon von den Mittelaltermärkten her, wo er Trommler beim Duo Pullarius Furcillo war und mich bei meiner Akrobatik oft begleitete. Allerdings war das zu diesem Zeitpunkt auch schon lange her. Was er sagte klang interessant und da ich von Natur aus ein sehr neugieriger Mensch bin, musste ich nicht lange zögern. Damals spielte ich bei Spilwut, einer regionalen Spielmannskapelle aus Brandenburg, bei der ich seinerzeit viel lernen durfte. Damals interessierte mich besonders der Dudelsackbau, aber das war Meistersache. Wir trafen uns im „One Way“ und Micha sagte mir, sie wollten sich vergrößern und suchten noch einen Dudelsackspieler, um als Trio auftreten zu können. Sie luden mich ein nach Frankfurt am Main mitzukommen, um da zu dritt auf dem Mittelaltermarkt „aufzueuchen“. Das Angebot fand ich gut, aber es war garnicht so einfach, ohne das nötige Kleingeld von Berlin nach Frankfurt am Main zu kommen. Außerdem arbeitete ich damals noch in einer Bäckerei und war somit zeitlich gebunden. Trotzdem nahm ich mir Schuster Scholle (Jens Scholz) als Trommler, mit dem ich lange Zeit auf der Straße gespielt hatte und wir fuhren einfach in Richtung Frankfurt los: Tagsüber spielten wir auf dem Marktplatz irgendeiner Stadt und schliefen anschließend im Auto. Da Dudelsackspielen auch sehr durstig macht, hatten wir eh keine andere Wahl. Morgens fuhren wir dann weiter. Unsere Zielstädte waren immer mit einer Burg, einem Dom, einem Münster oder einem Schloss auf der Karte eingezeichnet. Diese Art Geld zu verdienen war für uns schon langsam zur Routine geworden und so kamen wir irgendwann bis nach Frankfurt.
Der Markt dort war direkt auf der Zeil (der Ku`damm von Frankfurt) und leicht zu finden, Doch ich traute meinen Augen nicht, als ich Micha im Morgenmantel und in Badelatschen auf der Bühne spielen sah. Das war mir bisher noch nicht untergekommen. Ich sagte nur: „…dufte Tapete!“ und grinste. Später, beim Frühstück um 12.00 Uhr, erzählte mir Micha, dass nach drei Wochen auf der Zeil alles möglich ist. Die Unterkunft war gleich an der Bühne – zwei Container zwischen dem Juwelier und dem Eiscafé. Der Veranstalter war sichtlich begeistert, als von der Bühne plötzlich ein fetterer Sound kam. Mit den Worten „…aber Geld habe ich nicht mehr!“ stellte er sich dann auch gleich vor. Wir erklärten ihm den Zweck der Veranstaltung und ich sagte, dass mir die „Hutkohle“ reichen würde. Die Zeit ging dort schnell vorbei und allen gefiel die neue Formation, doch das Vergnügen währte nur kurz, denn auf diesem Markt löste sich Pullarius schließlich auf.
Wochen später rief mich Micha wieder an und meinte, er hat eine neue Kapelle, in der außer ihm nur Frauen spielen würden und ob ich nicht Lust hätte, mit dabei zu sein. Ich hatte nichts dagegen und kam zur ersten Probe, wo ich auch Conny die Füchsin kennen lernte. Die Gruppe sollte „In Extremo“ heißen, was auf Deutsch „zu guter Letzt“ oder „in Vollendung“ hieß. Wir verbrachten viel Zeit zusammen, da wir ja innerhalb kürzester Zeit ein gutes Programm zusammenstellen mussten. Wir wollten nicht nur Musik, sondern auch eine kleine Show machen (Schwerterkiste, Feuerspucken, Scherbenlaufen usw.). Zwischendurch turnte ich was das Zeug hielt. Und schließlich kam ich dann auch zu meinem Künstlernamen.
Wie, das ist eigentlich schnell erzählt: Wir waren schon einige Zeit als „In Extremo“ unterwegs und mein „Künstlername“ war bis dato immer „Marcobius der Akrobat“, abgeleitet von meinem Vornamen. Ich war zu dieser Zeit auf einer Akrobatikschule in Berlin und mein Akrobatik-Lehrer war immer etwas temperamentvoll in seinen Äußerungen: „Kennst du von Erich Kästner- „Das Brett“?“, fragte er mich oder er nannte mich „Flex der Unbeugsame“. Das war eine Anspielung auf meinen nicht gerade gummiweichen Rücken beim Unterricht. Irgendwann erzählte ich Micha davon und er wandelte es gleich in „Flex der Biegsame“ um. Na toll, dachte ich anfangs, das ist ja doppelt gemoppelt, aber mittlerweile finde ich ihn richtig gut. Und außerdem: Namen kann man sich nicht aussuchen – sie werden einem gegeben.
Gibt es Veröffentlichungen deiner alten Bands? Gibt es andere Veröffentlichungen, an denen du beteiligt warst? Wenn ja, welche?
Mit Örenwüzel hatten wir definitiv nicht die entscheidenden Voraussetzungen für die Produktion eines Tonträgers. Wir hatten auch kein Geld, um einen selbst zu produzieren. Später habe ich dann für Spilwut einige Lieder im Studio eingespielt, doch die sind nie auf einem Tonträger erschienen.
Deine Lieblingsbands und Musiker:
Ich höre sehr viel Musik und die ist sehr abwechslungsreich. Meist ist die Auswahl der Bands von meiner Stimmung abhängig und so höre ich Klassik, The Cure und Deine Lakaien zum Abschalten. Andererseits gibt es bei mir akustisch auch richtig was ins Gesicht, indem lautstark Filter, Oomph und die Red Hot Chili Peppers ertönen.
Deine 3 Lieblingsplatten:
Jeder hat so seine Favoriten, was die Platten angeht: Zu meinen abgegriffensten Exemplaren gehören auf alle Fälle die „Kasmodiah“ von Deine Lakaien, genauso wie die „The Amalgamuth“ von Filter. Zum Leidwesen meiner Kollegen hat es mir die Unplugged-CD von Alanis Morissette angetan, die bei mir ebenfalls hoch und runter läuft.
Die 3 besten Konzerte anderer Bands, die du besucht hast:
Es war kurz nach der Wende und ich wollte unbedingt zu The Cure nach Leipzig. Ich kann mich noch gut daran erinnern, denn es war heiß und wir lagen ab 12.00 Uhr in einem Springbrunnen vor dem Konzertgelände, bis die Tore endlich geöffnet wurden. Das Konzert war fantastisch und wir haben gut gefeiert. Doch wie ich nach Hause gekommen bin das weiß ich nicht mehr.
Später war ich im „ACFC“ (Anne Clark Fanclub) und mein bestes Konzert war im Metropoltheater in Berlin. Eine Hammershow und später haben wir uns noch mit der Band zu einem Interview getroffen. Ja, und natürlich das Phillip Boa-Konzert im Tempodrom sollte nicht unerwähnt bleiben…
Die 3 besten Konzerte, die du selbst gespielt hast (inklusive In Extremo):
Ich glaube, die besten eigenen Konzerte die ich bisher erlebt habe, waren alle mit In Extremo, da die nicht so unkoordiniert und diffus ablaufen wie alles was ich vorher erlebte. Das waren immer Konzerte ohne Titelliste, mit fehlende Musiker oder Fremden, die gar keinen Plan hatten.
Deine 3 Lieblingsfilme:
Zu meinen Lieblingsfilmen gehören „Das Schweigen der Lämmer“, Filme mit Stan Laurel & Oliver Hardy und „Schlafes Bruder“.
Deine 3 Lieblingsbücher:
Ich bin eigentlich gar nicht so ein großer Leser, da ich dann doch lieber spiele (Musik, Backgammon…). Wenn ich aber was lese, dann muss es ein Knaller sein wie zum Beispiel „Hazard der Spielmann“ oder „Die Prophezeiungen von Celestine“, die Bücher sind echt der Hammer.
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