Die 6 Vaganten sahnen ab – von Basti van Lange
5.Kapitel: 2000 – Über den Wolken
Willkommen beim Music Award der „kleinen Leute“! Wir waren also eingeladen zum „German Alternative Music Award“, kurz GAMA und so fuhren wir in familiärer Runde am 17.11.2000, einem erstaunlich sonnigen Tag für diese Jahreszeit, in die heiligen Räume der Hamburger Markthalle, genau dorthin, wo ich einige Jahre zuvor schon einen fulminanten Auftritt einer meiner Lieblingsbands, Killing Joke, erlebt hatte. Nun fanden wir uns plötzlich vor dem Nebeneingang der Markthalle wieder. Vor dem VIP-Eingang stand eine Riesenmenge, die sich redlich bemühte, an diesem breitbeinigen Glatzkopf an der Tür vorbeizukommen. Nun ja, wir nahmen es gelassen. Erst als ich Phillip Boa sah, der, sichtlich genervt von diesem Schauspiel, die Flucht ergriff, erahnten wir, was bei dieser Premiere noch so alles kommen könnte. Ehrlich gesagt tat er das einzig richtige an diesem Abend – dieser merkwürdigen Veranstaltung fern zu bleiben!
So richtig durchgefroren nahmen wir im großen Saal auf den guten alten Holzklappstühlen Platz und staunten nicht schlecht, als Niels Ruf nach einiger Verspätung die „Gala“ eröffnete. Schade eigentlich, denn Charlotte Roche, die eigentlich durchs bunte Programm führen sollte, wäre wenigstens ein guter Grund gewesen, dieser Veranstaltung weiter beizuwohnen.
Zack – und schon gab es die ersten Kandidaten für das „Beste Album“: The Cure für „Bloodflowers“, Apoptygma Berzerk für „Welcome to Earth“, die Deftones für „White Pony“ sowie die Einstürzende Neubauten für „Silence is Sexy“. Mein Tipp waren die Deftones, aber hier wurde wohl vor allem auch am Geld gespart. So ging der Preis schließlich an die Neubauten. Doch allein der Albumtitel hatte es eigentlich schon verdient. Blixa Bargeld konnte sich dann auch nicht verkneifen, über den Sinn und den Unsinn dieser Veranstaltung laut zu sinnieren.
Der erste Höhepunkt waren dann die Farmer Boys. Sänger Matze kam wie gewohnt in Schaukelschuhen daher und die Stimmung im Saal wurde spürbar besser. Dann ging es Schlag auf Schlag weiter und die „Beste Single“ wurde nominiert. Nils Ruf als Moderator wurde immer ätzender, bis er sich schließlich an einem Halbliterglas voller Bier, von einem der anwesenden Musiker über sein teures Sakko verteilt, abkühlen durfte. Von diesem Zeitpunkt an verlas er ziemlich kleinlaut die weiteren Nominierten. Musiker lassen sich eben nicht so leicht verarschen und schon gar nicht von solch einem Schwachkopf. Aber irgendwie war diese Aktion typisch für den Abend: Diese ganze Veranstaltung hier wirkte reichlich unausgegoren und völlig an den Haaren herbeigezogen.
Mittlerweile setzte sich Udo Lindenberg neben Micha, der ihm eine Zigarette anbot, die er auch dankend annahm. Auch Udo hatte schon riesige Schaukelschuhe an und seine Begleitung zählte eifrig jede Zigarette und jedes Getränk, das er sich im Laufe des Abends über Umwege noch besorgen ließ.
In der nächsten Abteilung, die der „Besten Liveband“, waren schließlich auch wir nominiert. Little Buddha verlas die Namen: Apoptygma Berzerk, Queens Of The Stone Age, die Smashing Pumpkins und In Extremo.
Oh je, dachten wir uns, da ist sowieso nichts zu machen. Aber: „The Winner is: IN EXTREMO!“
Damit hatten wir nun nicht gerechnet und wir fragten uns, nach welchen Kriterien die Jury (bei uns hieß das früher „Einstufungskomission“) die Bands eigentlich auswählt hatte. Etwa ausschließlich nach den Kosten? Egal, wir haben uns trotzdem gefreut, denn von Udo gab`s gleich darauf ein unverkennbares „Habt ihr gut gemacht, Jungs!“ Nachdem der offizielle Teil vorbei war, ging`s dann zur Aftershowparty. Da waren dann alle Berühmtheiten, und vor allem Halbberühmtheiten, am Start und versuchten krampfhaft, durch das viel zu teure Bier halbwegs beschwipst zu werden. Das wollte aber partout nicht gelingen und so verschlug es uns in die Seitengassen von Hamburg, die ja erheblich mehr zu bieten hatten als diese erbärmliche Veranstaltung hier. Mein Respekt geht dabei besonders an Flex, dem es sogar gelang, die erbeutete Gipstrophäe heil durch das nächtliche Hamburg und anschließend sogar bis nach Berlin zu bringen! Das sollte nicht vielen an diesem Abend gelingen!
Nun steht sie bei uns im Regal, gleich neben dem alten Kassettenrecorder, den der Morgenstern vor über 20 Jahren zur Jugendweihe bekam! Kann man ja alles vielleicht irgendwie noch mal gebrauchen! Und irgendwann fiel die Figur auch Dr. Pymonte in die Hände. Geile Zielscheibe! Er stellte sie ans andere Ende des Raumes und zielte mit einem Luftdruckgewehr drauf. Wir hielten ihn davon ab, wir hatten eben trotzdem Mitleid mit unserem Gipskaspar: Py, man zielt nicht auf Menschen, auch wenn sie dermaßen hässlich und aus Gips sind.
Er hätte garantiert getroffen. Aber er war ja auch nicht dabei!
Die mittlerweile obligatorische Weihnachtstour, in diesem Jahr wieder zusammen mit unserem Lieblingssupport Substyle, sollten die einzigen Konzerte in den letzten 3 Monaten werden: Bremen, Osnabrück, Nürnberg, das „Heimspiel“ in Mannheim und das Abschlusskonzert in der Krefelder Kulturfabrik.
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