Der Gastkommentar der Interessenvertreterin – von Doro Peters
2. Kapitel: 1995 – 1997: In Ewigkeit: A -Moll
So, so, warum ich diese Band überhaupt gesignt habe nach diesem Auftritt in Leipzig will die Lutter wissen? Na denn Kay, werden wir mal 5 Jahre später das Geheimnis lüften, gewürzt mit ein paar Eindrücken.
Also, meine Freundin Silke versuchte damals bereits seit längerer Zeit die Band an ein Label zu vermitteln. Leider oder eher vielmehr zu meinem Glück () konnte bei den Majors kein A&R auch nur das Geringste mit dem Demo-Material anfangen. Zu exotisch wohl. Ich arbeitete ja schon seit längerem mit der Band Subway To Sally und wusste, dass die Kombination von hartem Rock mit mittelalterlichen Einflüssen durchaus einen großen Fankreis gewinnen konnte. Interessanterweise gab es da ja auch eine ganz wilde Publikumsmischung: Metalfans, Folks, Grufties und ganz normale Leute. Also sehen und hören konnte ja mal nichts schaden, dachte ich, und so fuhr zu einem Auftritt nach Leipzig in die Moritzbastei.
Als ersten traf ich den Sänger, der mir gleich mitzuteilen wusste, dass mir nichts Besseres als In Extremo passieren konnte, weil sie ohnehin die beste Band der Welt wären. Kurze Zeit später war von seiner großen Klappe nichts mehr zu hören. Die drei Dudelsäcke auf der Bühne metzelten alle anderen Geräuschversuche der Mitmusiker gnadenlos nieder. Das schien diese jedoch nicht mal zu stören und was noch merkwürdiger war: Auch das erstaunlich zahlreich vorhandene Publikum (woher kommen eigentlich so viele Leute bei einer noch so unbekannten Band? Offensichtlich nicht nur wegen des Hauptband, die an diesem Abend die Merlons waren), die waren ja geradezu hellauf begeistert. Als jahrelange Bookerin eines Berliner Szene-Ladens (Café Swing am Nollendorfplatz) hatte man auf jeden Fall ein Gespür dafür – man sieht, ob der Funken rüber springt oder nicht. Hier tat er’s – ohne Zweifel! Na ja, und die Rückfahrt wurde dann auch noch richtig lustig: Thomas der Münzer kutschierte den Bus und versuchte mir Weisheiten aus dem Musikbusiness zu entlocken, riss aber dabei selber eine Schote nach der anderen. Jetzt weiß ich ja nicht, warum die sich dann so schnell für mich entschieden hatten (hä, hä, hatten ja wahrscheinlich auch keine andere Wahl), aber mein Motto war schon immer: Lieber tief- als hochstapeln – bevor man falsche Versprechungen macht…
Also traf ich mich ein paar Tage später mit der ganzen Gruppe in einer Kreuzberger Kneipe und gab so meine Kritik zum Besten. Zu meiner Verblüffung meuterte keiner, sie taten sogar so, als hätten sie durchaus Verständnis für meine nicht wirklich lobenden Worte (die werden sich wahrscheinlich gedacht haben: Lass die Alte mal quatschen, Hauptsache wir haben einen Plattenvertrag).
Also gelobten sie Besserung, vor allem was den Sound betraf und konnten wohl offensichtlich auch mit meiner Einschätzung leben, erst einmal nicht gleich Tausende von CDs zu verkaufen. Irgendwie war das mit dem Vertrag gleich an dem Abend mehr oder weniger eine beschlossene Sache. Und was mich auch nicht unwesentlich beeinflusste: Es waren wirklich alle megasympathisch. So Typen wie: Mit denen kann man Pferde stehlen. Oder ein Wort, ein Handschlag und die Wette gilt.
Aus bestimmten Gründen hielt ich es für gut – wenn schon, dann eben auch schnell – die erste In Extremo Platte rauszubringen. Also fuhr ich kurze Zeit später mit dem „Vielklang“-Geschäftsführer Jörg Fukking und den beiden Produzenten Ekki und Trosi aus dem „Vielklang“-Studio zu einer Show nach Cottbus. Und schon wieder war die Hütte voll. Ich glaube eigentlich nicht, dass der Sound schon großartig anders war, aber auch hier: Das Publikum feierte die Band ab! Und was mir hier spätestens auffiel: Das Besondere an In Extremo sind einfach die Typen: Da steht kein Sänger mit einer gesichtslosen Band im Rücken, da hat jeder seine Rolle – wie bei einer Boygroup. Nur, dass die alle echt und nicht gecastet sind.
Und dann die Stimmung in der Backstage: Michi Rhein und Thomas der Münzer gaben Geschichten zum Besten, da lag man ja gleich Minuten später flach unterm Tisch. Beide gaben an dem Abend ihre Reiseerfahrungen preis: „…da kam ich in Amerika an, dachte, machst’e mal auf Mitleid und sagst: I am from the east, I am hungry – da hätten die mich fast noch eingesperrt. Kein Mitgefühl diese Amis…“. Michi Rhein erzählte wie er gleich am ersten Tag in Los Angeles Lemmy von Motörhead kennen lernte. Wenn jetzt jemand so nebenbei mal eine Beschreibung dieses Mannes haben will: So isser! Schickt den Herrn Rhein nach Rom und er wird dem Papst die Hand schütteln.
Also es war lustig, sehr lustig sogar und irgendwie war die Sache geritzt. Und es blieb auch amüsant, z.B. bei dieser Fotosession in Brandenburgs Wüste. (Ist schon mal jemand mit 7 zum Teil schwer tätowierten Kerlen, mit Glöckchen an den Füßen und Lederröcken bekleidet erst durch die Pampa und dann anschließend auch noch durch Neukölln spaziert? Kommt nicht so oft vor, oder?).
Die Platte wurde, glaube ich, innerhalb von nur 10 Tagen eingespielt. Die Presse war begeistert und obwohl ich nie so recht den Geschichten von Michi Rhein Glauben schenken konnte – irgendwie hatte der Mann recht: Die Konzerte waren einfach immer voll. Das Unglaubliche geschah dann kurz vor Weihnachten: Die CD war schon seit einigen Monaten auf dem Markt, da erschien doch „Weckt die Toten“ tatsächlich in den deutschen Media Control Trendcharts. So etwas gibt es eigentlich gar nicht und schon gar nicht bei einem Independent Label wie „Vielklang“. Die Sache kam ins Rollen und ich hatte das Vergnügen, täglich mit einem anderen Vertreter eines Major Labels zu verhandeln. Es kam dann zu einem Label-Deal mit der Firma „Mercury“. Aber das soll jetzt mal reichen zum Thema: ‚Wie kam es zum Plattenvertrag‘.
Vielleicht noch zum Abschluss was ganz anderes, eine kleine Anekdote über den Hauptschreiber und Initiator dieses Buches: Nachdem ich also erfolgreich Plattenchefin dieser Kapelle war, beschloss die Band, mich auch einmal in die Geheimnisse der Mittelaltermärkte einzuweisen. Außer Thomas der Münzer, der mit seiner Stromgitarre nicht so recht auf den Märkten zu gebrauchen war, fuhren ja alle fast jedes Wochenende zu irgendwelchen mittelalterlichen Veranstaltungen. Man wollte mir etwas Gutes tun und präsentierte mir eine Fahrt ins schöne Dänemark zum europäischen Mittelaltertreffen nach Horsens, welches da jährlich stattfindet. In Extremo hatte ihre Bühne bei einem deutschen Veranstalter, welcher mit Abstand der wildeste Platz auf diesem ganzen Mittelaltermarkt war. Alle zwei Stunden musste gespielt werden und es war deutlich zu beobachten, wie der Bassist, der hier ein eigenartiges Instrument spielen musste, immer betrunkener wurde. Zum Schluss schien er sich geradezu auf sein Instrument zu stützen, ohne das Ding wäre er wohl umgekippt. Es schien aber der Show und der Musik nicht weiter zu schaden. Interessiert beobachtete ich zwei ältere Zuschauer, die ganz begeistert von diesem Instrument waren und von Kay Infos darüber haben wollten. Der Sprache nicht mehr so ganz mächtig, nuschelte er: „Dasss isss ´n Trumscheit. Dasss iss das beschissenste Instrument der Welt, das Beschissenste, was es überhaupt gibt!“ Interessante Auskunft. .
Am nächsten Tag wollte ich es dann aber auch wissen und fragte Kay auf der Heimfahrt, was daran denn nun so beschissen sei. Ziemlich maulfaul: „Jeder Idiot kann dieses Ding spielen, es hat ja auch nur eine Seite und es ist leichter als Angeln!“ Kleine Anmerkung: Kay Lutter ist nicht nur ein begnadeter Bassist, er hat das Instrument auch so richtig studiert. Er fühlte sich also mit der Bedienung des Trumscheits leicht unterfordert. Der Arme! Na ja, er hat wahrscheinlich so viele seiner Mittelalterauftritte deshalb im Nebel erlebt – ein paar Märkte später, so wurde mir jedenfalls berichtet, konnte ihn nicht mal mehr das Trumscheit stützen und er lag wohl wie ein umgekippter Maikäfer mit seinem Liebling auf der Bühne.
Und dabei ist doch der Kay der beste Trumscheitspieler den es gibt und durfte sogar schon als Gastmusiker bei anderen Bands im Studio mitspielen.
Ehre wem Ehre gebührt!!!
(Doro Peters, Managerin von In Extremo)
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