Spielmannsfluch
Vorwort

Während der Aufnahmen zu unserer CD „Sieben“, die im September 2003 erschien, hatte ich plötzlich viel Zeit. Die Songs waren im Prinzip fertig, wir feilten noch an den letzten Details und hatten bereits mit den Schlagzeugaufnahmen begonnen, da fiel mir eine Idee wieder ein, welche ich die ganze Zeit schon mit mir herumtrug. Ich schrieb seit Jahren die Tourtagebücher für In Extremo, wie wäre es, wenn ich sie in Buchform bringen und veröffentlichen würde? Die Idee nahm Gestalt an, ich stellte alles zusammen und merkte schließlich, dass mir das Ergebnis nicht gefiel, schließlich konnte man die Tagebücher auch auf unserer Homepage finden.

Warum also nicht gleich eine richtige Biografie über die Band schreiben? Wer konnte das besser, als ein Bandmitglied? Warum nicht die Vorgeschichte erzählen? Wir hatten schließlich so viel zusammen erlebt, das sollte für mehrere Bücher reichen. Ich machte mich an die Arbeit und hatte Spaß daran. Um das Ganze etwas aufzulockern, fragte ich Freunde und Wegbegleiter, ob sie nicht Lust auf einen Gastbeitrag hätten, um auch ein paar andere Gedanken mit aufzunehmen. So kam eins schließlich aufs andere und das Buch wurde dicker und dicker. Ich hatte die Arbeit daran ganz gehörig unterschätzt und in den letzten Wochen gab es für mich kein anderes Thema mehr, als das Buch pünktlich zu veröffentlichen.
Im November 2003, war es dann endlich so weit. Der „Spielmannsfluch“, 224 Seiten in Hochglanz und im Großformat, mit unzähligen Fotos aus der frühen Geschichte von In Extremo, erschien pünktlich zum Tourbeginn der „Sieben“-Tour.

Ich habe mich dazu entschlossen auf meiner Homepage den Text zu veröffentlichen, ganz ohne Fotos. Doch wer Interesse am kompletten „Spielmannsfluch“ hat, der findet das Buch hier: www.inextremo-fanshop.de.

2. Kapitel: 1995 – 1997: In Ewigkeit: A -Moll

Es gibt in Deutschland mittlerweile ja viele diesen mittelalterlichen Kneipen, in denen man als Spielmann an den Wochenenden und ganz besonders in der Weihnachtszeit, seinen Geldbeutel etwas aufbessern kann. Das Volk wird hier beim Fressen und Saufen von Spielmännern mit viel Musik und Scharlatanerie bis hin zur Gesichtslähmung belustigt – jedenfalls war das bei uns an der Tagesordnung.
1996 gab es in Dresden zwei dieser  Einrichtungen: Das Anno Domini in Klotzsche und den Zarenkeller in Dresden-Ost. Der Zarenkeller, unter der Leitung von Mirco Meinel, untersagte zur damaligen Zeit allen Musikern jegliche Auftritte im Anno Domini – wenn sie im Zarenkeller auftreten wollten. Uns war diese Regelung einfach zu bescheuert und auch völlig egal, wir spielten jedenfalls Weiterlesen

2. Kapitel: 1995 – 1997: In Ewigkeit: A -Moll

Ende Januar 1997 war es dann so weit: Die Rockband wurde ins Studio gerufen. Viel Zeit hatten wir ja nicht, wenn ich mich recht erinnere war es kaum mehr als ein langes Wochenende – doch das musste eben reichen. „Der Galgen“, „Como Poden“, „Mariae Wuergen“ (die Schreibweise war ein kleiner Spaß), „Rotes Haar“ und „Ai Vis Lo Lop“ wurden schließlich auf  eine Maxi-CD gepresst, „Como Poden“ und „Villemann Og Magnhild“ landeten als Bonus mit auf der „Goldenen“. Unserer Tradition folgend, es mit der Tradition nicht ganz so ernst zu nehmen, landete auf eben jener „Goldenen“ auch ein Track namens „Schaf ödä nix schaf“, der es bis heute auch schon auf so einige Mittelalter-Sampler geschafft hat. Viele der ernsthaften und traditionellen Mittelaltermusiker hassten uns für unseren oftmals recht lockeren Umgang mit der Geschichte (und ich denke, das tun sie wohl immer noch!) – uns war und ist es jedoch völlig egal. Doch um das Ganze aufzulösen: Weiterlesen

2. Kapitel: 1995 – 1997: In Ewigkeit: A -Moll

Ungefähr tausend Jahre muss es her sein, dass ich in der Schule eine glatte Sechs bekam, weil meine Meinung zu einem Hörbeispiel des promovierten Lehrers die war, dass es sich wohl definitiv nicht um Musik handeln könne. Was wir uns da anhörten waren sehr expressionistische Beispiele phonetischer Äußerung: Schreibmaschinen, Webmaschinen, Druckmaschinen und wer weiß was noch alles klapperten einem imaginären Takt und kaum zu erfassenden Tempi folgend. Die Erschaffenden hielten die Zusammenstellung dudengerecht schon für Kompositionen, der Lehrer auch, ich nicht. Nun wird man älter, erfahrener und das eine oder andere Mal wird man auch opportunistischer. Niemals mehr würde ich behaupten, dieses oder jenes wäre keine Musik. Es  gibt eben feine Unterschiede und nicht zuletzt drückt solche Möglichkeit der Interpretation der Satz „es ist Musik in meinen Ohren“ aus. Nie beginnt etwas an genau einem Ort zu genau diesem Zeitpunkt. Alles hat fließende Übergänge und Vorstadien, ohne die neue Zustände und Entwicklungen nicht denkbar sind.
Im Falle von In Extremo spielen Berlin und die Teilung, die Wende und Weiterlesen

2. Kapitel: 1995 – 1997: In Ewigkeit: A -Moll

Am Vormittag des 29.3.1997 ging es schließlich, mit unseren uralten orangen Tausend Tonnen Obst-Punk-Bluesmobil der Marke Ford Transit, nach Leipzig. Es war saukalt und kurz nach der Überquerung der Elbebrücke begann es sogar noch zu schneien. Auf den restlichen Kilometern in Richtung Leipzig grinsten wir uns nur noch fragend an: Na, das konnte ja ´ne schöne Premiere werden – wir im Schneesturm mit unseren kurzärmligen Kosmonauten-Anzügen, noch dazu noch mit E-Gitarren bewaffnet, auf einem mittelalterlichen Markt! Wir hätten uns eigentlich keinen glänzenderen Karrierestart wünschen können…

2. Kapitel: 1995 – 1997: In Ewigkeit: A -Moll

Im Sommer des Jahres 1996 begoss man im Sachsenstädtchen Delitzsch mit Sekt ein neues Mitglied in der Spielmannscombo In Extremo. Bis dahin spielte das Trio (Flex, Py und Einhorn) des Öfteren unter der heraldischen Marktleitung eines Herrn Sen Pusterbalg und musste sich den Ermahnungen des recht strengen Ordnungshüters unterwerfen. Nichtsdestotrotz ließen sich die Drei nicht entmutigen und man sann danach, sich den Peinigungen zu entziehen. Es kam zur folgerichtigen Entscheidung, die Einverleibung des geborenen „Westsacks“ Sen Pusterbacke zu beschließen. Es folgten einige Muggen in der Viererbesetzung.
Im Spätherbst ´96 erhielt ich einen Telefonanruf von Micha, was von der Idee zu halten sei, zusammen mit seinen alten Rockkollegen ein Projekt anzuschieben – „Middle Ages meets Rock“. Für die Osterveranstaltung auf dem Leipziger Markt planten drei Mittelalter-Veranstalter, etwas Besonderes zu installieren. „Heureka“ baute seine Palisadenburg, Micha Wolf sein Badehaus und Johannes Fogelvrei war als Weiterlesen

2. Kapitel: 1995 – 1997: In Ewigkeit: A -Moll

Wer diesen Sommer in Raeren (B), Schwerte oder im Ossi-Land auf Mittelaltermärkten unterwegs war oder das Festival der Spielleute im S 3 gesehen hat, der hatte das Vergnügen, die Berliner Mittelalter-Formation In Extremo live zu erleben. In Schwerte bei Dortmund hatte ich dann auch im August die Gelegenheit, ein Interview mit Cogan, dem letzten Einhorn, zu führen.

Entry: In Extremo ist eine Mittelalterband. Warum spielt ihr mittelalterliche Musik?
IE: Weil´s uns Spaß macht. Mittelalterliche Musik, das ist auch eine Gefühlssache. Ich bin durch Zufall darauf gestoßen, weil es mir gefallen hat, die Musik zu hören und habe sie dann auch mal selber gemacht.
Entry: Sind da auch andere Interessen beigewesen, wie das historische Mittelalter selber?
IE: Das ist natürlich alles verbunden, man muss sich schon mit Mittelalter beschäftigen, um so etwas überhaupt zu machen. Man kann nicht einfach auf die Bühne gehen und irgendein Lied spielen und will gar nicht wissen, worum es sich dreht. Weiterlesen

2. Kapitel: 1995 – 1997: In Ewigkeit: A -Moll

So, so, warum ich diese Band überhaupt gesignt habe nach diesem Auftritt in Leipzig  will die Lutter wissen? Na denn Kay, werden wir mal 5 Jahre später das Geheimnis lüften, gewürzt mit ein paar Eindrücken.
Also, meine Freundin Silke versuchte damals bereits seit längerer Zeit die Band an ein Label zu vermitteln. Leider oder eher vielmehr zu meinem Glück () konnte bei den Majors kein A&R auch nur das Geringste mit dem Demo-Material anfangen. Zu exotisch wohl. Ich arbeitete ja schon seit längerem mit der Band Subway To Sally und wusste, dass die Kombination von hartem Rock mit mittelalterlichen Einflüssen durchaus einen großen Fankreis gewinnen konnte. Interessanterweise gab es da ja auch eine ganz wilde Publikumsmischung: Metalfans, Folks, Grufties und ganz normale Leute. Also sehen und hören konnte ja mal nichts schaden, dachte ich, und so fuhr zu einem Auftritt nach Leipzig in die Moritzbastei.
Als ersten traf ich den Sänger, der mir gleich mitzuteilen wusste, dass mir nichts Besseres als In Extremo passieren konnte, weil sie ohnehin die beste Band der Welt wären. Kurze Zeit später war von seiner großen Klappe Weiterlesen

3.Kapitel: 1998 – Das Chaosjahr

Anfang 1998 gingen wir wieder ins Studio, um für die neue Saison eine Akustik-CD einzuspielen. Sie sollte „Hameln“ heißen und so zierte das Cover auch eine tote Ratte, die unser „Undersound“-Layouter in einem Keller in Berlin-Friedrichshain entdeckt hatte. Ich glaube, lange musste er nicht dafür suchen. Wir hingegen überlegten, wie wir die Mittelalter- und die Rockband besser als EINE Band präsentieren könnten. Uns eventuell zwei verschiedene Namen zuzulegen kam uns nicht in den Sinn, der Name In Extremo passte eben für beide Bands wie die berühmte Faust aufs Auge und bis auf Thomas würden Reiner und ich von der neuen Saison an bei den Mittelalterkonzerten auch als Musiker mit auftreten – Reiner an den Trommeln und ich am ungeliebten Trumscheit. Egal, „mit gefangen – mit gehangen!“ war ja die Losung. Thomas arbeitete weiterhin in seinem Beruf als Lehrer und hatte für die Märkte keine Zeit.
Ein paar Künstlernamen für die Rockband mussten her und Weiterlesen