Der Morgenstern
9.Kapitel: Portraits
Wie bist du zur Musik gekommen?
Zur Musik kam ich in etwa so: Mein Bruder bekam zur Jugendweihe (1972) einen kleinen Kassettenrecorder, den er zur Aufnahme von Musiksendungen nutze, die zu hören nicht erwünscht war (Rias-Treffpunkt, Schlager der Woche und so). Auf diesem Wege habe ich die Sendungen ebenfalls gehört, wenn auch heimlich. So fand mein erster Kontakt mit westlicher Rockmusik statt. Ich war erst 8 Jahre alt.
Später (der übliche Werdegang eines Rockmusikers) spielten wir selbst die Songs von Sweet, Slade, T.Rex, Deep Purple, Black Sabbath, usw. auf Vadda`ns Tennisschlägern und Mudda`ns Kochlöffeln mit. Und verdammt – wir nahmen die Sache sehr ernst. Später – ich war so zwölf – traf sich die Clique an einer „Bank“. Dort gab es jemanden der ein Schlagzeug besaß, es sogar spielen konnte, aber beabsichtigte sein Set zu verkaufen. Ich habe diese Ruine dann für schwer ersparte 100 DDR-Mark erstanden. Fortan hatten die Hausbewohner meiner Aufzugsstätte irgendwie Abneigung gegen mich. Immerhin wurden Zeiten abgesprochen, an die ich mich hielt. Ab Herbst 1978 unterrichtete mich Herr Panke (Schlagzeuger beim Orchester des Metropol-Theater) für 2 Jahre. Er ließ mich klassische kleine Trommel nach Noten üben, was bis heute sehr wichtig für mich ist. Das bildete die solide Grundlage meines heutigen Stils. Das spielen am Set habe ich mir selbst beigebracht. Ich habe viel Musik gehört, die Drumlines herausgeschrieben und im Keller (meinem Proberaum) nachgespielt.
Kannst du dich noch an das erste Konzert erinnern, das du besucht hast? Wie war das?
Ich bin in Berlin-Plänterwald aufgewachsen, in der Nähe des Kulturparks, auf dem es Samstags und Sonntags sehr oft Konzerte gab. Dort spielten zum Beispiel City, Stern Meißen, Prinzip, Karussell, Lift und andere DDR-Profi-Liga-Bands. Es gab aber auch internationale Acts wie Omega (Ungarn) oder John Kincade (GB) auf der großen Bühne, während auf der kleinen Bühne Bands wie Monokel, Engerling, Hof Blues Band oder Freygang – eben die DDR-Amateur-Liga – konzertierten. Und das war für mich wesentlich interessanter.
Wie hieß deine erste Band?
Die erste Band in der ich mitspielte hieß Asinus.
Wann und mit welcher eigenen Band standest du das erste Mal auf einer richtigen Bühne? Kannst du dich noch erinnern wie das war?
Das war im Sommer 1980 im Kulturhaus „Erich Weinert“ in Magdeburg, und die Band hieß immer noch Asinus.
An einem Herbstabend im Jahre des Herrn anno 1979 – in einer Kneipe in Treptow – lernte ich Max kennen. Max war nicht nur Bassist, sondern auch Chemielaborant, er spielte mit Studenten (Steffan Carow voc, p; Frank Syltemeier git, p) der Musikhochschule „Hans Eisler“ zusammen und die hatten alle gemeinsam ein Problem: Ihrem Schlagzeuger war es zu langweilig und also fragte er MICH, ob ich einsteigen würde.
Musikstudenten und ICH? Und das nach nur einem Jahr Unterricht? Das konnte eigentlich nicht gut gehen, aber meine Zusage stand fest. Also, kurz entschlossen das Schlagzeug auf einen Handwagen und auf ging es eine halbe Meile durch den Plänterwald auf die „Insel der Jugend“ zur Probe. Später lag unser Proberaum in „unmittelbarer Wohnortnähe“ in Potsdam-Babelsberg. Das war im Haus von Heiner Carow und der musste genau wie meine Eltern die Transportprobleme der potentiell Einstufungserfolgreichen mit seinem Lada bewältigen. Außerdem waren es meine letzten großen Ferien. Ab September 1980 fing ich eine Lehre als Dachdecker an. Nach einem guten halben Jahr Proben war es dann endlich soweit: Asinus im Kulturhaus „Erich Weinert“. Der ca. 800-Mann-Saal war mit 50 Leuten gut gefüllt, der Groove der Band ging mir total ab und um es komplett zu machen habe ich einen
6/8tel in einen 4/4tel verwandelt. Es war ein Flop für die anderen. ICH hab nur vorher gezittert – hinterher fand ICH mich erstklassig – schließlich hatte mich doch selbst Herr Carow (und der musste es ja wissen) zu meiner „Leistung“ beglückwünscht. Heute bin ich vermutlich etwas routinierter.
Wie war Dein musikalischer Weg bis hin zu In Extremo? In welchen Bands hast du vorher gespielt?
Asinus (1979-1982), Splitt (1984-1985), Cold Step (1987), TTO (1988), Freygang (1989-91), Noah (1991), Reunion TTO (1992), Noah (1994), Ifor (1995-96). Und dazwischen jede Menge Nebenprojekte (1987-1989), z.B. die Magdalene-Keibel-Combo, Santa Clan…
Nach Asinus musste ich meinen Ehrendienst bei der NVA ableisten. Dort hatten wir auch so `ne Art Band und spielten… tja Politrock trifft die Genrebezeichnung wohl am ehesten. Nach der Armee begann ich mit Splitt zu proben und zu spielen. Mit der Band hatte ich meine zweite Einstufung. Das war die Oberstufe.
1985 erhielt ich, als Dachdecker, meine erste staatliche Ehrung – ich wurde „Jungaktivist“. Da hingen immerhin 50 DDR-Mark dran und eine Reise nach Moskau und Leningrad mit dem „Freundschaftszug“. Auf dieser Reise lernte ich Wolfram Peschel kennen. Über ihn machte ich Bekanntschaft mit Vico. Vico war ein hervorragender Gitarrist und suchte nach einer neuen Band. Wolfram kannte Vico und seine Interessen sehr gut, er arrangierte ein Treffen und die Proben konnten beginnen. Zunächst war nicht klar wofür – es sollte noch 2,5 Jahre dauern bis daraus das Projekt Cold Step geboren wurde. 1987 erfolgte die Einstufung – nunmehr meine Dritte – mit dem Ergebnis „Sondereinstufung mit Konzertberechtigung“. Wir probten im Club 29. Ich lernte während der vielen dort stattfindenden Veranstaltungen auch andere Musiker kennen, mit denen man diverse Nebenprojekte starten konnte – so auch Ulli „Schandmaul“ Baum. Er – seines Zeichens begnadeter Sänger und Musiker – suchte auch nach einem neuen Projekt. Da sich Cold Step Ende 1987 auflöste, suchte auch ich nach einer neuen Band. Wir gründeten Tausend Tonnen Obst. Dazu gehörten neben mir und Schandmaul auch Kurt und Falk. Und wieder stand eine Einstufung an, mit dem Ergebnis Sondereinstufung mit Konzertberechtigung.
Nebenbei spielte ich noch bei Feeling B- Aljoschas – Gitarrenrockprojekt Santa Clan, in der nach meinem Empfinden besten Besetzung, die diese Band je hatte: Aljoscha (Gesang), Christoph Zimmermann (Bass) – beide leider schon verstorben; Grüße nach oben – sowie „Wilki“ Wilkendorf (Gitarre), Stefan Bienieck (Steve Binetti) (Gitarre) und später auch BuzzDee Bauer.
2002 hatten Kay und ich unser 15-jähriges Spiel- und Freundschaftsjubiläum. Und so kann ich es mir an dieser Stelle einfach nicht verkneifen: Hey Kay, danke für alles, auch für dieses Forum! Im Herbst 1989 gab es im Lindenpark (Potsdam-Babelsberg) eine Veranstaltung merkwürdigen Inhaltes. Kay nannte sie eine blödsinnige Performance. Dort spielte ich mit einem Nebenprojekt, der Magdalene-Keibel-Combo und nach uns Freygang, die von meinem Spiel überzeugt waren. Wie alle Wechsel ging auch dieser schnell vonstatten und so spielte ich ab Dezember 1989 bei Freygang zum ersten Mal in der Berliner Gethsemane- Kirche. Das ging bis April 1991, danach stiegen Kay und ich bei Noah ein. In dieser Band spielten schon Thomas Mund und Michael Robert Rhein.
Währenddessen fragte mich Schandmaul, ob wir nicht wieder gemeinsam etwas machen könnten. Ergo Kay und ich spielten in zwei Bands. Das ging so weiter bis zu unserem Ausstieg 1995 bei TTO. Fortan spielten wir nur noch bei Micha und Thomas und haben bis etwa Frühjahr 1996 noch ein paar Gigs durchgezogen, bis klar wurde, dass das nicht brachte. Noah entwickelte sich nicht weiter; es wollten nur noch Veranstalter aus Thüringen die Band buchen – ein zu kleines Revier, wenn man von der Musik leben will. Und so gaben wir auf.
Irgendwie verlief der Kontakt im Sande. Jeder von uns hat sich anderen Projekten gewidmet. Kay stieg bei Chuch of Confidence ein, Micha trieb sich schon auf Mittelaltermärkten herum und ich habe versucht, bei Ifor (auch mit ehemaligen TTO-Mitgliedern) ein bisschen Kunst zu machen.
Wir haben uns lange nicht gesehen, scheinbar war aber auch jeder ein bisschen unzufrieden mit seinen Projekten. Als im Herbst 1996 Kay anrief und mir von der Idee einer Zusammenführung der Noah-Mitstreiter nebst mittelalterlicher Besetzung erzählte, kam es zu einem Treffen Die Idee fanden alle Beteiligten so gut, dass wir auch gleich ins Studio gingen und es auf der goldenen Mittelalter-CD zum ersten Mal probierten. Es funktionierte. In dieser Zeit entstand u.a. der Song „A Vis Lo Lop“. Nach einem Proberaumwechsel und meinen Ausscheiden aus dem bürgerlichen Knufferleben bahnte sich auch das erste Konzert an. Es fand zu Ostern 1997 auf einem Mittelaltermarkt vor dem Leipziger Rathaus statt. Es schneite, war sehr kalt und wir hatten keinen Backstagebereich. Wir zogen uns hinter der Bühne um und spielten gegen die Kälte, also irgendwie um unser Leben. Das Ergebnis – regelmäßige Auftritte – entschädigte uns für diese Tortur und die ersten großen Erfolge ließen nicht lange auf sich warten.
Gibt es Veröffentlichungen Deiner alten Bands? Gibt es andere Veröffentlichungen, an denen du beteiligt warst? Wenn ja, welche?
Auf der Kompilation „Die letzen Tage von Pompeji“ spielte ich bei Freygang
Deine 3 Lieblingsbands:
Die Red Hot Chili Peppers, Rush und Primus. Aber es gibt von den 60ern bis heute natürlich noch wesentlich mehr, die nennenswert wären. Bei einzelnen Musikern würde ich John Bonham (Led Zeppelin), Stewart Copeland (Police) sowie „Herb“ Tim Alexander und Les Claypool (beide Primus) an die Spitze stellen. Auch hier gibt es noch mehr, die ich aufzählen könnte.
Deine Lieblingsplatten:
„Frizzle Fry“ von Primus, „Blood, Sugar, Sex, Magic” von den Red Hot Chili Peppers, „Presence“ von Led Zeppelin und „Moving Pictures“ von Rush.
Die besten Konzerte, die du besucht hast:
Carlos Santana im Berliner Palast der Republik (noch in der DDR), die Red Hot Chili Peppers beim Roskilde-Festival Juni 1996 und die Carmina Burana auf dem Roskilde-Festival Juni 1994 (dirigiert von Arthur Rubinstein).
Die besten Konzerte, die du selbst gespielt hast (inklusive In Extremo):
Cold Step in der Moritzbastei Leipzig 1987, TTO auf dem Umweltfestival in Rothensee (Magdeburg) am 31.07.1993, Freygang auf dem Open-Air in Binde (Salzwedel) und In Extremo beim Roskilde-Open-Air 2000.
Deine Lieblingsfilme:
Weil ich Filmesammler bin gibt es da eine ganze Menge: „Das Schweigen der Lämmer“, „Mash“, „Einer flog über das Kuckucksnest“, „Der Herr der Ringe“ und deutsche Filme, wie: „Wir können auch anders“ oder „Knocking on Heavens Door“ sind nur einige meiner Favoriten.
Meine 3 Lieblingsbücher:
Michail Scholochow„Ein Menschenschicksal“, Wassili Reskow „Die Vergessenen der Taiga“ und Wilhelm Busch „Album“
Meine Lieblingssongs:
Red Hot Chili Peppers “Under the Bridge” (Blood, Sugar, Sex, Magic), Primus “John the Fisherman” (Frizzle Fry), Rush “Yyz”(Moving Pictures), The Sweet “Man with the golden Arm” (Desolation Boulevard), T.Rex “New York” (Futuristic Dragon) und …
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