Simone & Garfunkel
Bridge Over Troubled Water – Simon & Garfunkel (Bridge Over Troubled Water/1970)
Ja okay, ich gebe es freiwillig zu: Ich habe eine besessen, ich war der stolze Besitzer einer der wenigen Exemplare der in der DDR erschienenen Schallplatte „The Best Of Simon & Garfunkel“!
Mein Gott, heute ist mir das irgendwie immer noch peinlich. Und auf die von den Rockjournalisten immer wieder so gern gestellte Frage, welches denn nun die allererste, vom eigenen Geld gekaufte Schallplatte war, musste ich bisher immer lügen. Nein, es war leider nicht die „III“ von Led Zeppelin oder Black Sabbath´s „Sabotage“, die gab es ohnehin nur für Westgeld und man war somit dem Geschmack seiner Westverwandtschaft hoffnungslos ausgeliefert – nein, es war leider nur diese bei Amiga erschienene „The Best Of Simon & Garfunkel“. Doch als wenn das des Übels nicht schon genug wäre gab es als Zugabe ABBA´s „Dancing Queen“- Single noch obendrauf. Manchmal ist die Geschichte eben ungerecht.
Zugegeben, angesichts meiner frühen Jugend bekäme ich heute vor Gericht bestimmt mildernde Umstände angerechnet, außerdem geschah das alles in einer Zeit, in der die Hormone komplett verrücktspielten. An die Zeiten, in denen die Nase proportional in einem äußerst krassen Missverhältnis zum restlichen Körperbau stand, in denen die Frisuren den Kampf zwischen dem eigenen Ich und dem Geschmack von Mutti widerspiegelten, möchte niemand gern erinnert werden, oder? Und eigentlich war diese erste Platte ja auch eher Simone, meiner erste große Liebe, gewidmet.
„Der kürzeste Weg ist immer eine Gerade!“ schlug mein Erziehungsberechtigter angesichts meiner mehr als tollpatschigen Flirtversuche vor, aber er war eben auch nur mein Stiefvater – wir waren somit nicht verwandt und lagen auch geschmacklich nicht immer auf derselben Wellenlänge. Was sollte ich da groß erben können? Ich war eher ein Freund der Methode Kommst du noch mit nach oben, ich zeig Dir ´n paar neue Gitarrengriffe? Das klappte auch hin und wieder, aber der einzige, der hier noch ein paar Lektionen nötig gehabt hätte war eigentlich ich selbst. „Hello darkness my old friend…“ schlugen Simon & Garfunkel in regelmäßigen Abständen vor, immer wenn ich die Platte zu meiner moralischen Unterstützung auflegte. Doch mein Zimmer weigerte sich trotz der musikalischen Untermalung strikt, so etwas wie ein erotisches Ambiente abzugeben Außerdem gelang es mir nie schnell genug die Vorhänge zuzuziehen, denn Simone meinte, im Hellen würde sie meine Hände besser sehen können.
Sechs lange Wochen ertrug ich dieses Theater, erlitt Höllenqualen und lernte, Lieder wie „Bridge Over Troubled Water“ und „Sound Of Silence“ abgrundtief zu hassen, bis es eines Abends plötzlich klingelte. Paul stand vor der Tür, ein flüchtiger Freund, den ich aus unserer Stammdisko kannte. „Wollte dich mal besuchen!“, maulte er kurz. Nachdem wir den ganzen langen Abend die drei Hauptthemen der Männer – Musik, Fußball und Frauen – in alle Einzelteile zerlegt hatten, entdeckte er in der Ecke plötzlich meine Simon & Garfunkel – Platte.
„Kann ich mir die mal ausborgen?“
Ja natürlich, Gott sei Dank, nur weg mit dem Mist! Endlich ein Grund mehr, diese Geschichte abzuschließen. Simone konnte mir sowieso gestohlen bleiben!
Drei Wochen später traf ich Paul in unserer Disko wieder. Ich muss nicht extra betonen, wen er da im Arm hatte, oder? Es war mir wirklich egal. Meine erste große Liebe konnte er behalten, meine erste selbstgekaufte Schallplatte legte ich noch oben drauf. Als Mitgift sozusagen. Paul hieß seitdem bei mir nur noch „Garfunkel“ – und er passte damit auch irgendwie viel besser zu „Simone“.
Am Wochenende darauf bekamen wir Westbesuch und irgendjemand hatte meine Gebete scheinbar erhört. Mein Onkel brachte mir das schönste Geschenk mit, dass es für einen 14jährigen damals geben konnte: „Highway To Hell“ von AC/DC. Das wurde dann meine richtige erste Schallplatte.
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